Kreativität und Psychosen

Genie und Wahnsinn besitzen die selbe genetische Grundlage

D. Lenz

Nikola Tesla, ein unbestrittenes Genie bei der Arbeit. )gro.aidepikiw(Foto: © 

Gemeinhin gelten große Brüste und sportliches Aussehen als sexy und würden einen evolutionären Vorteil für die Fortpflanzung bedeuten. Doch könnte es sein, dass Kreativität, aus genetischer Sicht ebenfalls verdammt sexy ist, aber das zu einem hohen Preis?

Reykjavík (Island). Die genetischen Voraussetzungen für Psychosen sind schwer definierbar und diffus. Es gibt hunderte von gemeinsamen genetischen Mutationen, quer über das menschliche Genom verteilt, die alle für sich genommen das Risiko zur Entwicklung einer geistigen Erkrankung wie Schizophrenie ein wenig erhöhen. Viele Menschen tragen einen Teil dieser Gene in sich, die meisten von ihnen erleiden aber nie eine psychische Störung. Eine neue Studie legt sogar nahe, dass diese Menschen auf kreativer Seite durch genau diese Gene einen deutlichen Vorteil haben.

Diese genetischen Veränderungen könnten sich in der menschlichen DNS erhalten, da diese einen evolutionären Vorteil bedeuten, so zumindest behauptet Dr. Kári Stefánsson, eine Neurologe und CEO des biologischen Forschungsunternehmens deCODE Genetics. Er ist auch Autor jener Studie, die Anfang Juni im „Nature Neuroscience“ Magazin veröffentlicht wurde.

„Sie (die genetischen Mutationen) finden sich in den meisten von uns und sie sind so verbreitet, da sie jetzt oder in der (menschlichen) Vergangenheit einen reproduktiven Vorteil bedeuten“, gibt Stefánsson an. Der Vorzug von mehr kreativen Köpfen im eigenen Stamm zu haben, so legt er nahe, könnte dabei helfen zu erklären, warum diese genetischen Abweichungen sich halten können – und das obwohl sie das Risiko für die spätere Entwicklung von derart hinderlichen Erkrankung wie Schizophrenie deutlich begünstigen.

Die Wurzeln des Wahnsinns

Das Genie und Wahnsinn sehr nahe beieinanderliegen ist nun keine Erkenntnis, die auf moderner Wissenschaft fußt, sondern geht auf eine These von Aristoteles zurück. Jüngste psychologische Studien aber untermauern die Behauptung des längst verflossenen Griechen eindeutig. IM Jahr 2011 und 2013 wurden mehr als eine Millionen Schweden untersucht. Das Ergebnis der Studie legt nahe, dass Personen, die nahe Verwandte mit Schizophrenie oder einer bipolaren Störung sehr viel wahrscheinlicher einen kreativen Beruf ergreifen. Davon ausgenommen waren natürlich an Schizophrenie erkrankte. Einzig an einer bipolaren Störung Leidende hatten ebenfalls sehr häufig einen kreativen Beruf ergriffen.

Zudem brachten diese und ähnliche Studien ans Licht, dass die Gehirne von „gesunden“ Menschen mit den genetischen Markern, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Erkrankung an Schizophrenie und bipolaren Störungen in sich bergen, ein wenig anders „ticken“ als die Gehirne der Menschen, die nicht über diese genetische Mutation in ihrer DNS verfügen.

„Die Abweichungen im im einzelnen sind extrem gering, aber wenn sich eine Reihe dieser in der DNS eines Menschen finden, dann können sie sich zu etwas Wichtigem auswachsen“, so Dr. Ray DePaulo jr., seinen Zeichens Psychiater an der Johns Hopkins University School of Medicine. „Etwas Wichtiges“ kann dabei eine Schizophrenie, bipolare Störung, oder wie Stefánsson behauptet, Kreativität sein.

Stefánsson und seine Kollegen haben für ihre Untersuchung die Gene von mehr als 80.000 Isländern unter die Lupe genommen und wollten ermitteln, ob Autoren, Tänzerinnen, Künstlerinnen, Schauspieler und Musiker genetische Marker in ihrer DNS aufweisen, die mit einem erhöhten Risiko bestimmten psychiatrischer Erkrankungen assoziiert werden. „Und tatsächlich, das Risiko an Schizophrenie zu erkranken ist substantiell höher im kreativen Teil der Bevölkerung Islands, als im durchschnittlich kreativen Rest“, sagt Stefánsson. Wenn Menschen auch nur einen Teil ihrer kreativen Impulse durch diese Gene erhalten, dann, so Stefánsson „führt die Varianz in den Genen, die zu Kreativität führt auch zu Schizophrenie.“

Keine vorschnellen Schlüsse ziehen

Viele andere Wissenschaftler aber raten zur Vorsicht Stefánssons Schlussfolgerung betreffend. „Jedes bestimmte Genset kann immer nur einen sehr kleinen Teil einer Varianz in einer psychologischen Eigenschaft erklären“, sagt Scott Barry Kaufman, Psychologe an der University of Pennsylvania. „Es gibt so viele weitere Einflüsse außerhalb der Gene, die auf einen Menschen einwirken und einen Anteil daran haben, ob er kreativ sein wird oder an Schizophrenie erkrankt. Dinge die mit dem Leben und dem Umfeld zu tun haben und nicht mit der DNS“.

Der Einfluss der Marker ist zwar statistisch relevant, allerdings effektiv verschwindend gering. Tatsächlich dürften diese Gene nur zu etwa einen Prozent irgendeine Auswirkung auf Kreativität haben, wenn denn überhaupt eine Verbindung besteht.

Stefánsson aber beharrt auf seiner These. Allerdings räumt auch er ein, dass Gene nicht der einzige Ursprung von Kreativität sein werden. „Ich bin überzeugt das (die Gene) nicht der Hauptauslöser für die Kreativität sind, die in uns allen steckt. Aber sie existieren und das in sehr hoher Frequenz.“

Der Isländer ist allerdings mit seiner Meinung nicht alleine. Kay Redfield Jamison, klinische Psychologin an der Johns Hopkins University School of Medicine und Autorin von „Touched with Fire: Manic Depressive Illness and the Artistic Temperament“ stimmt Stefánsson zu. „Die Studie zeigt, dass es mehr als nur eine vage psychologische Verbindung zwischen Geisteskrankheiten und kreativem Denken. Wenn wir herausfinden, welche Gene dafür genau verantwortlich sind, können wir Menschen dann unkreativ machen?“ so Jamison. „Aber so wirklich einfach wird das alles auch wieder nicht sein. Würde es tatsächlich (nur) einen (genetischen) Grund für kreative Inspiration geben, dann gäbe es sicherlich nicht so viele einzigartige Ausdrucksformen von Kreativität.“

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