Medikamente

Metastudie zeigt: Suizidrisiko steigt durch Antidepressiva deutlich

Robert Klatt

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Antidepressiva erhöhen laut einer Metastudie im Vergleich zu Placebos die Suizidrate der Probanden in klinischen Studien um den Faktor 2,5. Dies liegt laut den Wissenschaftlern häufig an plötzlichen Änderungen der Dosierung und Überverschreibung.

Salzburg (Österreich). Zürich (Schweiz). Wissenschaftler der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und der Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Salzburg haben im Fachmagazin Psychotherapy and Psychosomatics eine Metastudie veröffentlicht, die sich mit den Folgen von Antidepressiva-Behandlungen beschäftigt. Laut den Ergebnissen der Studie können die Medikamente zu Beginn einer Behandlung einen gegenteiligen Effekt auslösen und statt zu helfen das Suizidrisiko der Patienten erhöhen.

In die Metastudie flossen Daten von Antidepressiva-Studien aus dem Zeitraum von 1987 bis 2013 ein, die der US-Arzneimittelbehörde FDA vor der Zulassung neuer Medikamente vorgelegt werden mussten. Die Auswertung zeigt, dass bei allen Antidepressiva-Studien die Selbstmordrate der Kontrollgruppe, die nur ein Placebo erhielt bei 0,3 Prozent lag, während bei der Personengruppe, die das wirksame Antidepressiva erhielt, die Suizidrate bei 0,8 Prozent lag. Die Abweichung konnte unabhängig vom Medikament in allen Studien festgestellt werden.

Suizidrisiko durch Antidepressiva 2,5 Mal höher

Die Metastudie kommt durch die neue Analyse der bereits vorhandenen Daten daher zu dem Ergebnis, dass das Suizidrisiko durch die Verabreichung von Antidepressiva um den Faktor 2,5 steigt. Laut den Studienautoren erfolgte die Zuteilung von Patienten in die Placebo- und Antidepressiva-Gruppe rein zufällig. Aufgrund der großen Anzahl von Personen sind weitere Faktoren, die die Selbstmordrate beeinflussen und die Ergebnisse somit verfälschen könnten auszuschließen. Da es sich um Doppel-Blind-Studien handelte, waren auch die Ärzte vor dem Abschluss der Untersuchung nicht darüber informiert, welche Person welches Medikament erhielt.

Laut der statistischen Auswertung kam es bei den Probanden der klinischen Studien durch die Verabreichung der Antidepressiva bei einer von 202 Personen zu einem Selbstmord, der bei einer Behandlung mit einem Placebo nicht aufgetreten wäre. Die Ergebnissen heizen damit erneut die Diskussion um die Wirksamkeit der Psychopharmaka an, deren Einsatz auch bei Ärzten und in der Wissenschaft seit Jahren umstritten ist.

Michael Hengartner einer der Studienautoren weist allerdings darauf hin, dass „die Analyse nicht zeigt, ob das Risiko in der Allgemeinbevölkerung gleich groß ist wie in den untersuchten klinischen Studien.“ Ausschließen könnten die Wissenschaftler das erhöhte Suizidrisiko allerdings auch nicht.

Selbstmordgefahr durch Dosisänderungen von Antidepressiva

Hengartner fügt hinzu, dass „grade zu Beginn der Behandlung, bei abrupten Dosisänderungen und beim Absetzen mit einem erhöhten Suizidrisiko gerechnet werden muss.“ Die Forscher empfehlen aus diesem Grund Medizinern mehr Vorsicht bei der Verschreibung von Antidepressiva und eine bessere Information der Patienten über eventuelle Folgen.

Trotz der Ergebnisse der Studie sehen die Wissenschaftler derzeit den Einsatz von Antidepressiva als alternativlos an. Gleichzeitig sollte laut ihnen aber ein ganzheitlicher Therapieansatz gewählt werden, der auch Sport und Psychotherapie beinhaltet, was ebenfalls in vielen Fällen den erkrankten Menschen helfen kann.

Psychotherapy and Psychosomatics, doi: 10.1159/000501215

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