Fachkräftemangel

Deutschland braucht jährlich 260.000 Fachkräfte aus dem Ausland

D. Lenz

Wissenschafter haben nachgerechnet: Bis zum Jahr 2060 braucht Deutschland jährlich 260.000 Fachkräfte aus dem Ausland. )yabaxipldlawanna(Foto: © 

Immer mehr deutsche Unternehmen haben Probleme geeignete Mitarbeiter zu finden. Eine aktuelle Bertelsmann-Studie hat nun untersucht, wie viel Zuwanderung der deutsche Arbeitsmarkt jährlich benötigt, um die wachsende Zahl der fehlenden Mitarbeiter auszugleichen. Fazit: Bis zum Jahr 2060 müssten jährlich rund 260.000 qualifizierte Fachkräfte nach Deutschland ziehen, um den demographischen Rückgang der Beschäftigten zu begrenzen.

Bielefeld (Deutschland). Schon seit Jahren beklagen deutsche Unternehmen den Fachkräftemangel. Dabei fehlt es vor allem an gut ausgebildeten Handwerkern, Ingenieuren und Pflegekräften. Das Problem zieht sich durch die ganze Bundesrepublik und Fachkräfte werden im Erzgebirge, im Vogtland bis hin zur Oberpfalz dringend gesucht. Obwohl in Deutschland derzeit so viele Stellen besetzt sind wie nie zuvor, fehlen in einigen Berufen tausende qualifizierte Mitarbeiter. Wissenschaftler des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie von der Hochschule Coburg haben im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung berechnet, wie viel Zuwanderung der Arbeitsmarkt jährlich benötigt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Die Experten gehen davon aus, dass in Zukunft die Geburtenrate steigt, mehr Frauen als jetzt arbeiten werden und zudem auch immer mehr ältere Menschen noch im Berufsleben stehen. Doch selbst wenn Frauen und Männer gleich viel arbeiten würden und das Renteneintrittsalter angehoben wird (beispielsweise auf 70 Jahre), so gäbe es in Deutschland immer noch viel zu wenig Beschäftigte. In den letzten Jahren stand bei der Politik die Senkung der Arbeitslosigkeit im Mittelpunkt, nun muss überlegt werden, wie der große Bedarf an qualifizierten Fachkräften zu decken ist.

Jährlich 260.000 Fachkräfte – bis zum Jahr 2060

Damit der beklagte Mangel am Arbeitsmarkt gedeckt werden kann, müssten laut der aktuellen Studie jährlich rund 260.000 qualifizierte Fachkräfte nach Deutschland ziehen. Nur durch die gezielte Zuwanderung sehen die Wissenschaftler eine Chance, den aktuellen Mangel sowie den demographischen Rückgang qualifizierter Arbeitnehmer einigermaßen entgegenzuwirken.

Gelingt die Zuwanderung der Fachkräfte nicht, so errechneten die Wissenschaftler, dass es in den kommenden Jahrzehnten einen noch wesentlich größeren Fachkräftemangel in Deutschland geben wird. Die Zahl der Arbeitnehmer würde um etwa 16 Millionen Menschen schrumpfen. Dies ist fast ein Drittel der aktuellen Beschäftigungszahlen in Deutschland.

Neue Einwanderungsgesetzte zum Wohle der Wirtschaft müssen her

Die Experten haben zudem die Zuwanderungszahlen der letzten Jahre durch andere EU-Staaten untersucht und dementsprechend hochgerechnet. Die Analyse zeigt, auch unter Berücksichtigung einer temporären Steigerung durch den Brexit, dass die Zuwanderung von Fachkräften bei weitem nicht ausreicht. Demnach wandern jährlich rund 114.000 Fachkräfte aus anderen europäischen Mitgliedsstaaten zu, das Defizit von 146.000 Arbeitskräften müsste demnach durch die Zuwanderung aus anderen Ländern ausgeglichen werden.

Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung sagt: „Heute wandern noch viel zu wenig Fachkräfte aus Drittstaaten nach Deutschland ein.“ Laut einer Statistik des Ausländerzentralregisters waren dies gerade einmal 38.000 Menschen – Menschen, die in der Zeit wieder in ihr Heimatland oder ein anderes Land gezogen sind, wurden dabei nicht berücksichtig. Auch eine Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) zeigt, dass mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen eine Zuwanderung von Fachkräften aus nicht EU-Ländern begrüßen würde.

Die Politik hat auf die Forderung im Rahmen des Migratiospakets reagiert und kürzlich das Fachkräfte-Einwanderungsgesetzt beschlossen. So können nun qualifizierte Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern, sofern sie ausreichend gut deutsch sprechen, auch ohne Arbeitsvertrag nach Deutschland kommen. Sie haben dann ein halbes Jahr für die Jobsuche Zeit. Ein Anspruch auf Sozialleistungen haben die Zuwanderer in dieser Zeit nicht.

Hilfsjobs anstatt spezialisierte Fachkräfte

Die Studie legt zudem offen, dass der Alltag leider häufig anders aussieht. Anstatt hochqualifizierte Fachkräfte, wie es die Wirtschaft fordert (beispielsweise Akademiker, Meister oder Techniker), gehen Migrantinnen und Migranten aus Nicht-EU-Ländern vergleichsweise häufig einer ganz anderen Arbeit nach. In vielen Fällen handelt es sich dabei um einfache Hilfsjobs – eine Festanstellung als Fachkraft oder Spezialist sind eher selten der Fall. „So müsse hinsichtlich der Qualifikationen der Migranten noch einiges geleistet werden“, schreiben die Autoren der Studie.

Die Einwanderung von eigentlich nicht benötigten Arbeitskräften produziere nur Verlierer, wie es in der Studie weiter heißt. Weder die Unternehmen noch die zugewanderten Menschen oder die bereits hier lebenden Menschen ohne Arbeit profitieren davon.

Es sei also wichtig, die bereits hier lebenden Menschen mit einem durchschnittlichen Qualifikationsniveau ohne Beschäftigungsverhältnis zu einem neuen Job zu verhelfen. Zeitgleich müsse bei jungen Menschen auf den großen Bedarf in einigen Berufsfeldern aufmerksam gemacht werden und die Zuwanderung von hochqualifizierten Fachkräften noch attraktiver gestaltet werden.

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