Staat reduziert Ausgaben

Übertriebener Stellenabbau im öffentlichen Dienst

D. Lenz

Busfahrer im öffentlichen Dienst. )gro.aidepikiwsettaM(Foto: © 

Der deutsche Staat hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Anzahl der im öffentlichen Dienst Beschäftigten drastisch gesenkt. Grund dafür sind zum Teil Privatisierung und der Stellenabbau, mit dem der Staat versucht die laufenden Kosten zu senken. Damit der Staat jedoch seine Aufgaben weiterhin im vollen Umfang weiterhin erfüllen kann, wären etwa 100.000 neue Stellen nötig. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Berliner Finanzwissenschaftlers Dr. Dieter Vesper im Auftrag des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

(Deutschalnd). Der Anteil der Staatsausgaben, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, wurden seit der Deutschen Einheit nahezu stetig reduziert. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass der Staat immer weniger Geld für sein Personal ausgibt. So ist beispielsweise die Zahl der Stellen im öffentlichen Dienst in der Vergangenheit stark reduziert worden - ein Trend, der bis heute anhält. Zudem spart der deutsche Staat durch geringe Einkommenssteigerungen, die deutlich hinter denen der Gesamtwirtschaft liegen, so der Finanzwissenschaftlers Dieter Vesper. Eine gute Übersicht über die aktuellen Gehälter im öffetnlichen Dienst bietet der TVL-Rechner der Internetseite entgeltgruppen.net.

Angebotspolitische Denkmuster prägten das Handeln der Politik der letzten Jahre, erläutert Vesper. Dazu gehört vor allem die Annahmen, dass ein hoher Staatsanteil das Wachstum hemmt und die Privatisierung staatlicher Leistungen die Antriebskräfte des Systems stärkt. Doch kann der öffentliche Dienst nach Jahrzehnten der Reduzierung überhaupt noch den Bedarf an öffentlichen Gütern decken? Im Auftrag des Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung ist Vesper dieser Frage nachgegangen. Die Ergebnisse auf den Punkt gebraucht: Es arbeiten viel zu wenige Beschäftigte bei Bund, Ländern und Gemeinden. Besonders groß ist der Bedarf an Schulen.

Vom Jahr 1991 bis zum Jahr 2010 ist die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst um 1,6 Millionen gesunken - um rund 30 Prozent. Etwa die Hälfte des Stellenabbaus folgte daraus, dass der Staat Wirtschaftsunternehmen wie die Deutsche Bahn oder die Deutsche Post, Krankenhäuser und Hochschulen zunehmend aus den Kernhaushalten ausgliedert. Bereinigt man die Zahlen um diese Verschiebungen liegt der Rückgang bei immerhin noch 18 Prozent. Auch die Bundeswehr baut seid Ende des Kalten Krieges deutlich Personal ab. Wird auch diese Friedensdividende berücksichtigt, so sank die Zahl der Beschäftigten im Staatsdienst immer noch um elf Prozent. Zur zeit sind rund 6,6 Prozent der Einwohner im öffentlichen Dienst beschäftigt. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern liegt Deutschland damit deutlich unter dem Durchschnitt.

Wie Vesper zeigt, bauen die staatlichen Ebenen Personal in unterschiedlichem Ausmaß ab:

  • Rückgang auf Bundesebene
    Der Rückgang beim Bund liegt bei insgesamt 30 Prozent. Die Reduktion ist primär auf die Entwicklung im militärischen Sektor zurückzuführen. Die Anzahl der Beschäftigten ging aber auch in der Finanzverwaltung, bei Verkehrsbehörden wie in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung oder dem Kraftfahrt-Bundesamt erheblich zurück.
  • Rückgang auf Landesebene
    Im öffentlichen Dienst der Länder sank die Anzahl der Beschäftigten um etwa 25 Prozent. Gerade in der zentralen Verwaltung und in den Bereichen Gesundheit, Erholung, Umwelt, Soziale Sicherung sowie bei Wirtschaftsunternehmen (z.B. Förderbanken, Wohnungs- oder Verkehrsunternehmen) ist ein starker Personalabbau im öffentlichen Dienst zu verzeichnen.
  • Rückgang auf Gemeindeebene
    Mit rund 38 Prozent fällt der Personalabbau auf der kommunalen Ebene am stärksten aus. Ein wesentlicher Faktor ist die Privatisierung zahlreicher Krankenhäuser. Zudem strichen die Gemeinden in der Sozialen Sicherung sowie im Bildungssektor sehr viele Stellen.

"Mit dem Stellenabbau im öffentlichen Dienst einher ging eine besorgniserregende Verschlechterung der Altersstruktur der Beschäftigten", erklärt Vesper. In sehr vielen Fällen stellte der Staat nach dem Ausscheiden von Mitarbeitern in den Ruhestand keine jüngeren Nachfolger ein, sondern strich die Stelle ersatzlos. In den kommenden Jahren werden Bund, Länder und Gemeinden nicht so weiter machen können, so der Finanzexperte. Einer Schätzung nach, gegen rund 140.000 Beschäftigte in nächster Zeit in den Ruhestand.

Ganz unabhängig von generellen Nachwuchsproblemen sieht der Forscher schon jetzt Indizien für einen höheren Personalbedarf. Das Nachwuchsproblem ist allerdings nur schwer zu quantifizieren, denn beim Bedarf an öffentlichen Gütern handelt es sich um eine kaum objektivierbare Größe. Zur Hilfestellung hat Vesper den Umfang des öffentlichen Dienstes in anderen Staaten und die Personalausstattung der einzelnen Bundesländer zum Vergleich herangezogen:

  • Für die Finanzverwaltung kommt Vesper auf einen Zusatzbedarf von rund 4.500 Stellen - dann hätten alle Bundesländer mindestens so viele Bedienstete wie derzeit der Durchschnitt
  • Im Polizeidienst errechnet er auf gleichem Wege einen Fehlbestand etwa 24.000 Stellen.
  • Im Bildungssektor fehlen im internationalen Vergleich in etwa 55.000 Lehrkräfte
  • In der Kinderbetreuung ergibt sich aufgrund des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab zwei Jahren ein zusätzlicher Bedarf von mindestens 16.000 Stellen

Vor dem Hintergrund der kürzlich im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse rechnet der Finanzexperte allerdings eher mit einer restriktiven Haushaltspolitik, insbesonders auf Länderebene. "Genau dies wäre aber ein falscher Ansatz", warnt Vesper. Seine Berechnungen ergaben bei einer Aufstockung des öffentlichen Dienstes um 100.000 Vollzeitstellen zusätzlichen Kosten von etwa 5,5 Milliarden Euro, verbunden mit einer positiven Wirkung auf das Wirtschaftswachstum. Gerade die Bildungsausgaben sorgen mittelbar für mehr Wachstum. "Ähnliches gilt für die institutionalisierte Kinderbetreuung, die für die Integration, Sozialisation und Ausbildung von Kindern unabdingbar ist" und somit sind diese Ausgaben ebenfalls förderlich für die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft.

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