Vorurteile

In Deutschland wird Frauen mit Kopftuch weniger geholfen

Robert Klatt

Frauen mit Kopftuch )moc.yabaxipninukam(Foto: © 

Frauen mit Kopftuch erhalten in Deutschland in Alltagssituationen von Fremden weniger Hilfe. Ausländerinnen mit landestypischer Kleidung und ohne religiöse Symbole erhalten hingegen dieselbe Hilfsbereit wie hellhäutige deutsche Frauen.

Philadelphia (U.S.A.). Wissenschaftler der Universität von Pennsylvania haben in 30 deutschen Städten an Bahnhöfen insgesamt 1.600 Mal eine Alltagsituation von Schauspielern nachstellen lassen, um herauszufinden ob die anwesenden Menschen abhängig vom Aussehen der Personen anders reagieren. Die für das Experiment genutzte Szene begann mit einem Mann, der am Bahnsteig Müll auf den Boden warf. Anschließend forderte eine Schauspielerin den Mann auf, den weggeworfenen Müll wieder aufzusammeln und began daraufhin ein Gespräch mit ihrem Handy, bei dem ihr eine Tüte mit Obst aus der Hand fiel.

Laut der im Fachmagazin PNAS veröffentlichten Studie wollten die Psychologen der Universität von Pennsylvania so untersuchen, ob zufällig anwesende Passenten bei einer Frau mit typische deutschem Aussehen anders reagieren als bei einer Frau, deren Kopftuch darauf schließen lässt, dass sie einen Migrationshintergrund hat. Deutschland wurde von den Wissenschaftlern ausgewählt, da die Anzahl an Einwanderern und Flüchtlingen hoch ist und gleichzeitig unter Deutschen soziale Normen wie die Ordnungsliebe als stark verbreitet gelten.

Deutsch aussehender Frau wird öfter geholfen

In 84 Prozent der Fälle wurde der hellhäutigen deutschen Frau Hilfe von fremden Personen angeboten. Die Schauspielerinnen mit Kopftuch erhielten hingegen nur in 73 Prozent der Fälle Hilfsangebote von Passanten. Um herauszufinden welche Faktoren die Anzahl der Hilfsangebote beeinflussen, haben die Wissenschaftlern eine Variante der Szene aufführen lassen, bei der der zuvor aufgrund des weggeworfenen Mülls ermahnte Mann, der in allen Fällen ein hellhäutiger Deutscher war, weggelassen wurde.

Dies führte dazu, dass die Hilfsbereitschaft der Passanten insgesamt geringer ausfiel. Bei der deutschen Frau reduzierte sich die Anzahl der Personen, die Hilfe anboten von 84 Prozent auf 73 Prozent. Bei den Schauspielerinnen mit Kopftuch sank die Hilfsbereitschaft der umstehenden Personen von zuvor 73 Prozent auf 60 Prozent.

Vorurteile mindern Hilfsbereitschaft

Nicholas Sambanis, Autor der Studie erklärt, dass „die Wissenschaftler festgestellt haben, dass die Vorurteile gegenüber Muslimen zu ausgeprägt sind und nicht durch gutes staatsbürgerliches Verhalten überwunden werden können.“ Verstärkt wurde dieser Effekt vor allen durch das Tragen eines Kopftuchs, da die türkische, ägyptische, syrische oder kurdische Schauspielerin in etwa dieselbe Hilfsbereitschaft wie die hellhäutige deutsche Schauspielerin erhielte, wenn sie offene Haare und für Deutschland typische Kleidung trugen.

Religion wichtiger als Ethnie

Die Ergebnisse der Studie, laut denen keine ethnische Diskriminierung festgestellt werden konnte, zeigen, dass beim Umgang mit fremden Personen religiöse Symbole deutlich wichtiger zu sein scheinen, als eine ebenfalls offensichtlich vorhandene Zugehörigkeit zu einer anderen ethnischen Gruppe. Nicht untersucht wurde hingegen, ob die Passanten weniger Hilfsbereit waren, weil das Kopftuch eine offensichtliche Zugehörigkeit zum Islam zeigt oder weil andere Faktoren, wie eine mangelnde Integrationsbereitschaft die Personen davon abhielten ihre Hilfe anzubieten.

PNAS, doi: 10.1073/pnas.1820146116

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