Gefragtes Thema

Die Zukunft des Verbraucherschutzes

D. Lenz

Verbraucherschutz, ein Thema das jeden betrifft. )moc.ailotofNGISEDVL(Foto: © 

Kein Unternehmen, keine Regierung kann es sich heute mehr leisten, Verbraucher im Trüben tappen zu lassen. Zu viel Awareness besteht bereits heute in der Bevölkerung, zu kritisch ist das Risiko, durch Skandale in Ungnade zu fallen. Und um echten Schutz zu gewährleisten, könnte auch modernste Technik zum Einsatz kommen.

Es ist rund anderthalb Jahre her, da schrieben Verbraucherschützer aus neun europäischen Nationen anlässlich des Europatages einen offenen Brief an die EU. Darin viel Lob, denn diverse EU-Gesetzgebungen haben den Kontinent tatsächlich zu einem Musterbeispiel an Verbraucherschutz werden lassen. „Die EU hat ein Schutzniveau für Verbraucher geschaffen, das als Inspiration […] überall auf der Welt dient“ schrieben die Unterzeichner. Aber sie äußerten auch Kritik, denn auch in Europa ist noch nicht alles perfekt. Zukünftig könnte durch technisch-physikalische Entwicklungen jedoch genau dieses Ideal in greifbare Nähe rücken. Die folgenden drei Punkte sind dafür besonders herausragende Beispiele.

1. Schutz für Fahrzeugbesitzer

Der Dieselskandal, der vor ziemlich genau drei Jahren erstmals ans Licht kam, ist vielleicht das mustergültigste Beispiel dafür, an welchen Stellen es mit dem Verbraucherschutz noch wirklich hakt. Denn während die Hersteller, bis auf einzelne Akteure, weitgehend straffrei auskamen, die Politik sich in internen Grabenkämpfen verstrickt, bleiben die Verbraucher zurück. Zurück mit Autos, die zwar durch Softwarelösungen nachgebessert wurden aber dann oftmals nicht mehr die Leistungen bringen, für die gutes Geld gezahlt wurde. Und zurück mit Autos, deren Wert auf einen Schlag um einen Gutteil vernichtet wurde, weil zu befürchten ist, dass sie bei künftigen Fahrverboten trotzdem stehenbleiben müssen.

Das ist besonders pikant unter dem Eindruck, dass Groß-Zulieferer Bosch erst jüngst einen Dieselmotor entwickelt hat, der selbst strengste künftige Gesetzesvorgaben einhalten könnte, insbesondere beim vielkritisierten Stickstoffausstoß. Dabei kommen nicht nur technische Veränderungen zum Einsatz, sondern auch eine intelligente Steuerungssoftware, die sehr viel präziser unterschiedliche Fahrzustände auf das Motormanagement übertragen kann. Tatsächlich misst nicht nur der Elektronikriese dieser Entwicklung enorme Bedeutung bei. Denn Ziel war es von Anfang an, dies mit Off-The-Shelf Produkten aus der Serie zu erreichen, damit ein Einbau bzw. sogar etwaige Nachrüstungen so kostenneutral wie möglich getätigt werden können.

Vor allem letzteres, die Nachrüstung, wäre für die heute so geschröpften Dieselbesitzer interessant. Den Software-Nachbesserungen haftet der Ruch an, die Fahrleistungen der betroffenen PKW zu verschlechtern, die Leistung zu verringern, teils auch den Kraftstoffverbrauch zu erhöhen – alles Dinge, die hauptsächlich dafür verantwortlich sind, dass sich betroffene Dieselfahrzeuge bei den Gebrauchtwagenhändlern stauen.

2. Gegen überbordende Wegwerfkultur

Über 40 Prozent aller Lebensmittel, die in westlichen Nationen vorhanden sind, werden nicht konsumiert, sondern landen auf dem Müll. Vieles davon hat marketingtechnische Ursachen. Etwa dann, wenn eine Frucht in Form und Größe nicht den vermuteten Erwartungen der Verbraucher entspricht. Ein ganz gewaltiger Teil der verfrüht weggeworfenen Nahrungsmittel entspricht jedoch diesen „Premium-Standards“. Er wird nur deshalb entsorgt, weil entweder das Ende des Mindesthaltbarkeitsdatums naht (das ist vor allem ein Problem in den Geschäften) oder erreicht wurde (hier liegt das Problem beim Verbraucher).

Und das ist in der Realität ein gewaltiges Problem, denn es entzieht große Mengen an Nahrung unnötigerweise dem menschlichen Konsum. Es muss also mehr hergestellt werden, um eine gleichbleibende Zahl an Konsumenten zu versorgen. Und tatsächlich ist es nur ein Image-Problem. Denn das aufgedruckte Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) wird von sehr vielen Kunden schlicht missinterpretiert. Viele sehen nicht die Realität „Mindestens haltbar bis“, sondern „Nicht mehr verwendbar ab“. Waren, die kurz vor diesem Datum stehen, werden nahezu unverkäuflich und beim Verbraucher selbst landen sie trotz aller Aufklärungskampagnen zu häufig im Müll. Das gilt selbst bei Produkten, die eigentlich gar kein Ablaufdatum haben, unverderblich sind und nur von Gesetzes wegen mit einem MHD bedruckt werden müssen.

Die Lösung könnte aus einer neuen Technik in einem uralten Gewerbe erwachsen: Printed Electronics, gedruckte Schaltkreise. Noch ist dieses Verfahren, bei der durch normale Druckfirmen statt Farbe flüssige organische Verbindungen zu Leiterbahnen aufgedruckt werden, nur im Hochpreissegment zu finden – etwa bei gebogenen Fernsehgeräten, wo die LED-Paneele gedruckt werden müssen, um sich der Form anzupassen. Doch das wird sich innerhalb der nächsten Jahre ändern. Schon sehen Verbraucherschützer die ideale Möglichkeit, das MHD-Problem auf diese Weise anzugehen: Aufgedruckte Bildschirme, die über Sensoren im Packungsinneren jederzeit den tatsächlichen Gebrauchszustand eines Produkts anzeigen und so das Ende des vagen MHD einläuten. Und in wenigen Jahren könnte das schon so weit sein, denn je mehr Schaltkreise gedruckt werden, desto günstiger wird die Technik für die Masse – auch als Wegwerfprodukt auf einer Verpackung.

Und: Diese Technik könnte auch umgekehrt schützen. Das MHD gilt nur dann, wenn die Lagerungsbedingungen korrekt eingehalten werden. Zu viel Licht, zu hohe Temperaturen können die tatsächliche Konsumierbarkeit auch weit früher ablaufen lassen. Zahlreiche Fälle von Lebensmittelvergiftungen lassen sich auf diese Tatsache jährlich zurückführen.

3. Volle Transparenz zuhause

In den Gängen eines ganz normalen Supermarktes finden sich heute immer mehr Produkte, die mit dem Zusatz „Bio“, „Garantiert ohne künstliche Zusätze“ oder „Unabhängig getestet“ beworben werden. Das ist mehr als geschicktes Marketing. Es ist der Ausdruck dessen, dass die Qualität der Ernährung für die heutigen Verbraucher eine enorm hohe Rolle spielt.

Einfach ausgedrückt: Nur wenige Verbraucher vertrauen Unternehmen noch, dass diese die Lebensmittel, insbesondere diejenigen aus der großen Sparte der vorfabrizierten Convenience Foods, so zubereiten, dass dem Verbraucher zumindest kein gesundheitlicher Nachteil entsteht. Keine unbegründete Sorge, dass westliche Ernährung zu Krankheiten führt, ist seit langem bekannt. Und die vielen künstlichen Nahrungszusätze sind beinahe schon ein wissenschaftliches Feld für sich, deren Langzeitwirkungen stellenweise nicht bekannt sind.

Doch das bisherige Problem daran ist, dass die Angabe der Inhaltsstoffe immer auf einem Vertrauensverhältnis basiert: Die EU macht zwar genaue Vorgaben, was in welcher Menge enthalten sein darf. Und auf die Einhaltung werden die Hersteller auch kontrolliert, aber die Abstände dazwischen sind es, die vielen Verbrauchern Sorge bereiten. Und die Kontrollen finden in Lebensmittellabors statt. Der Verbraucher ist also auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, dass das, was auf dem Packungsinhalt steht, den Tatsachen entspricht.

Diesem Problem hat sich seit einigen Jahren ein deutsches Start-Up angenommen, die Firma BioAnalyt. Sie produziert – vereinfacht ausgedrückt – Test-Sets, mit denen Lebensmittel auch ohne Labor-Umgebung auf ihren Inhalt geprüft werden können. Nicht von Lebensmittelchemikern, sondern auch von eingewiesenen Laien. Firmenchef Florian J. Schweigert bringt den dazu notwendigen Background mit, er ist Professor für Physiologie und Pathophysiologie an der Universität Potsdam.

Allerdings: Die Testkoffer sind für Verbraucher mit einem Preis von mehreren Tausend Euro noch immens teuer und zielen auch eher auf NGOs, die in Entwicklungsländern damit Nahrung auf ausreichenden Nährstoffgehalt überprüfen sollen. Andere Unternehmen forschen deshalb an digitalen Geräten, die wie ein Miniatur-Massenspektrometer arbeiten und sich auch für den westlichen Endkonsumenten eignen. Führend dabei ist derzeit das amerikanische MIT, das bereits vor einigen Jahren ein „Massenspektrometer für die Hosentasche“ entwickelte, das zudem auch nur dreistellige Summen kosten soll, wenn es serienreif ist. Damit könnte es sehr bald tatsächlich möglich sein, einfach ein beliebiges Lebensmittel am Küchentisch auf seine Zusammensetzung zu analysieren – ohne zwischengeschaltetes Labor.

Fazit

Verbraucherschutz mag vielen wie etwas wirken, das nur durch Druck von unten und oben auf Hersteller ausgeübt werden kann. Teilweise ist das zwar wahr, denn nur das ist eine wirklich nachhaltige Lösung. Doch gerade in diesem Segment gilt der alte Satz „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, wie nirgendwo anders. Und hier können technische Entwicklungen tatsächlich dazu beitragen, Verbraucherschutz direkt zu gewährleisten. Und vor allem, das ist bei manchen Produkten vielleicht das Wichtigste, ohne dass dazu große Unternehmen sich ändern müssten.

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