D. Lenz
Die Metallbranche befindet sich in einem Umbruch: Immer mehr treten digitale Techniken anstelle von Arbeitsweisen, die teils schon seit vielen Jahrzehnten nahezu unverändert geblieben waren.
Augsburg (Deutchland). Der Sommer 2014 ging, von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, in die Geschichte ein. Damals begann, Airbus-Tochterunternehmen und Luftfahrtzulieferer, Premium Aerotec als erster großer Hersteller überhaupt mit serienmäßigem 3D-Druck von bedeutenden Teilen. Was daran der große technische Meilenstein war: Der Drucker nutzt wenige Micrometer große Kügelchen aus einer Titanlegierung. Diese werden per Faserlaser aufgeschmolzen und so Schritt für Schritt zu einer Struktur gedruckt – in diesem Fall doppelwandige Krümmer, durch die Flugtreibstoff laufen soll. Heute, gut vier Jahre später, ist dieses Laser-Sintern eine gängige und tausendfach bewährte Praxis; aber nur ein Beispiel dafür, wie Digitalisierung genau jetzt auch das einst mit Esse, Hammer und Amboss gestartete Gewerbe der Metallproduktion revolutioniert.
Letzten Endes steckt bei der Metallproduktion immer eine Notwendigkeit dahinter: Es müssen Teile gefertigt werden, die je nach Anwendung auf den tausendstel Millimeter genau und vor allem wiederholgenau präzise sein müssen. Genau das ist auch der Grund, warum die Metallbranche generell zu den Early-Adoptern von digitalen Techniken zählt.
Als in den 1970ern die ersten computerisierten CNC-Fräsen aufkamen, die mit digitalen CAD-Dateien gefüttert wurden, stürzten sich metallverarbeitende Unternehmen auf die Technik. Denn erstmalig wurde so das, was eine von vielen Mess-Zwischenschritten begleitete menschliche Arbeit war, zu einem Schritt, der so unbestechlich wiederholgenau war, wie es nur ein Computer vermag.
Doch Genauigkeit ist nur ein Faktor, warum die Metallbranche so digital-affin ist. Der andere ist Geschwindigkeit. Sehr viele Prozesse in diesem Bereich benötigen, wenn sie auf herkömmliche Weise durchgeführt werden, viel Zeit. Um die Krümmer aus dem Eingangstext als Beispiel heranzuziehen: Normalerweise mussten diese in zwei Teilen gegossen werden. Das erforderte das Verwenden von präzise anzufertigenden Gussformen, die zwar mehrere Arbeitsgänge überstanden, aber eben nur eine begrenzte Lebensdauer hatten. Anschließend mussten beide Hälften verschweißt werden – was bei Gussmaterial durch dessen kristalline Struktur ein technisch schwieriger Prozess ist. Es folgten spanabhebende Verfahren, welche die Rohlinge auf Endmaße brachten.
Die Digitaltechnik ermöglicht es hingegen dem Metallbereich, in kürzerer Zeit mehr Teile in einer gleichbleibend hohen Präzision zu fertigen.
Die Metallbranche setzt dabei auch dort auf Digitalisierung, wo keine hochkomplexen Teile benötigt werden, sondern vergleichsweise einfach geformte Serienteile. Etwa im Bereich der Blechprägeverfahren. Diese Technik kommt unter anderem bei der Fertigung von Metall-Dachelementen zum Einsatz. Auffällig ist, dass Firmen explizit diese innovative Technik herausstellen. Die Integration von digitaler Technik ermöglicht, in diesen vergleichsweise einfachen Abläufen, eine selbststeuernde Arbeitsweise – samt dem automatisierten Wechsel von Werkzeugen und des selbsttätigen Einstellens auf unterschiedliche Abmessungen und Materialstärken. Das ermöglicht das Betreiben solcher Maschinen mit einem Minimum an Personal und Zeitaufwand für die ansonsten notwendigen Umrüstungen.
Hinzu kommt, dass hierbei sogenannte digitale Zwillinge verwendet werden können: Ein digitales Abbild des echten Endprodukts. Darin können auch Produktions-Simulationen enthalten sein, sodass schon vor dem allerersten Produkt vollkommen klar ist, wie es aussehen wird, welche Eigenschaften es besitzen wird. Das wiederum spart enorme Summen für Test- und Einstellungsläufe, für das Erstellen und Prüfen von Prototypen usw.
Häufig ist es schlicht und ergreifend Geografie, die selbst ausgetüftelten Lösungen einen Riegel vorschiebt. Besonders gilt das bei der Digitalisierung des Metallbereichs. Problem ist, dass es, so wünschenswert es auch wäre, bislang nur selten möglich ist, alles an einem Ort zu realisieren. Es beginnt schon bei der reinen Stahlherstellung, die in Deutschland relativ zentralisiert ist und auch im europäischen Gesamtvergleich oftmals „weitab vom Schuss“ liegt.
Die Vorteile der Digitalisierung werden vor allem dann sichtbar, wenn man von einer idealisierten Produktion unter einem Dach ausgeht:
Eine perfekte, wiederholgenaue und nur mit unvermeidbarem Verschnitt arbeitende Produktion. Minimal kurze Ausfallzeiten, keine Probleme durch falsche Qualitäten, Abmessungen usw. So perfekt, wie es nur geht – dank Digitalisierung.
Das skizzierte Szenario wäre der Traum aller Metallunternehmen, sofern sich die räumliche Trennung beenden ließe, was aber letztlich nur ein logistisches Problem darstellt. Was allerdings derzeit das ungleich größere Problem darstellt, ist die menschliche Seite. Klar ist, dass auch ein derartig durchdigitalisierter Betrieb noch Metallberufe benötigt, weil eben jeder digitale Prozess nur so gut ist, wie der Mensch, der dahintersteht.
Momentan ist das ein Problem, denn die Metall- und Elektroindustrie ist, was die Ausbildung anbelangt, in weiten Teilen noch nicht bereit für die Produktion 4.0. Digitales wird zwar vermittelt, aber vor allem aufseiten des Metalls längst nicht in dem Maß, wie es für Nachwuchs aus „Eigenanbau“ notwendig wäre.
Allerdings wurde das Problem bereits erkannt und befindet sich in der Lösungsphase: Im März 2018 beschloss der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (eine Schaltstelle zwischen dem Bundes-Bildungsministerium und den Berufsausbildern), dass künftig die industriellen Metall- und Elektroberufe stark digitalisiert werden sollen. Konkret:
Damit, so erhofft sich das Gremium wie die Industrie, soll die Digitalisierung der Metallbranche künftig auf einem festeren und einheitlicheren Fundament stehen.