Gedankenlesen

Software erkennt Sprache anhand von Hirnströme

D. Lenz

Aus den Aktivitätsmustern (blau/gelb) des Gehirns lassen sich gesprochenen Wörter erkennen. )TIKLSC(Foto: © 

Die Fähigkeit die Gedanken von Mitmenschen lesen zu können hat sowohl einen positiven und negativen Beigeschmack. Science-Fiction und Fantasy-Geschichten sind voll von den Vor- und Nachteilen um telepathische Talente. Und noch sind wir auch sehr weit entfernt davon, aber die Wissenschaft hat jetzt einen gewaltigen Schritt nach vorne, in Richtung Gedankenlesen, getätigt und uns ein System präsentiert, mit dem sich Sprache anhand von Gehirnaktivitäten rekonstruieren lässt.

Karlsruhe (Deutschland). Das eine Software gesprochene Worte erkennt und versteht ist nun längst nicht revolutionäres mehr, auch wenn zu Grunde liegende Systeme noch immer weiter optimiert werden. Programme und Softwaredienste wie Siri oder Cortana sind ein deutlicher Beleg für die Ausgefeiltheit von an sich recht einfachen Programmen. Sprache aber entsteht nicht im Mund oder an den Stimmbändern, sie entsteht im Gehirn, im zerebralen Kortex. Genau dort lässt sie sich, mit Elektroden an den richtigen Stellen platziert und einem dafür ausgerichteten Programm, ablesen und „aussprechen“, bevor auch nur ein Wort den Mund verlassen hat, einzig anhand von Gehirnströmen.

Dies ist dem „Cognitive Systems Lab“ Team am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in Zusammenarbeit mit dem Albany Medical Center und dem Wadsworth Center in New York gelungen. Mit Hilfe von sieben Freiwilligen, alle an Epilepsie leidend, und durch speziell angeordnete und implantierte Elektroden auf der Oberfläche des zerebralen Kortex, war es den Wissenschaftlern möglich tatsächlich zur Sprache gehörende Gehirnwellen aufzuzeichnen. Dafür lasen die Patienten vorgegebene Texte vor (unter anderem die „Gettysburg Address“ von Abraham Lincoln und die Amtsantrittsrede von John F. Kennedy), die dadurch entstehende Gehirnströme wurden durch die beteiligten Ärzte aufgenommen und mit dem in Karlsruhe entwickelten System ausgewertet.

Sprache „ohne Worte“

Das Ergebnis ist mehr als nur verblüffend und erstaunlich genau. So lag die Fehlerquote beim Ablesen der Gehirnströme bei unter 25 Prozent, die Texte waren als extrem genau, auch konnten neue Schlussfolgerungen für zukünftige Forschungen zur Entstehung von Sprache auf neuraler Basis gewonnen werden.

Die Autoren der Studie geben zwar zu, dass bisher die Eingabe von Sprache über eine Tastatur oder gar die Ausgabe durch einen menschlichen Mund noch deutlich schneller und besser funktioniert, als die Auswertung über die Elektrocorticographie (EcoG), denn die Datenbank zu den neu entwickelten System umfasst bis her nur wenige Minuten an aufgezeichnetem Material zu jedem Patienten. Im Vergleich dazu stehen selbst Systemen wie Siri Milliarden an Wörtern und vergleichbaren Sprachmustern zur Verfügung.

Im nächsten Schritt soll das System für Patienten mit „Locked-in-Syndrom“ optimiert werden. Hiermit sind Patienten gemeint, die auf Grund einer Lähmung nicht mehr in der Lage sind körperliche Handlungen, darunter auch das Sprechen, vorzunehmen und diesen dadurch ein Mittel zu Kommunikation zu geben. Langfristig steht „echtes“ Gedankenlesen auch noch nicht auf der Agenda der Wissenschaftler. Allerdings ist das an der Finanzierung mit beteiligte US Militär sicherlich auch an einer Nutzung als Kommunikationssystem interessiert.

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